Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) bündelt als Dachverband die Interessen von 55 Verbänden, Organisationen und Unternehmen aus der Erneuerbaren-Branche. Der BEE ist damit auch ein Vorreiter, wenn es um die Frage nach den Perspektiven von Anlagenbetreibern nach dem Ende der individuellen Förderung geht. Insbesondere auf der politischen Ebene ist der BEE aktiv, um eine Verbesserung der Post-EEG-Perspektiven zu erreichen. Wir haben BEE-Präsidentin zu Ihrer Bewertung der aktuellen Situation kurz vor dem Start der Post-EEG-Phase befragt.

Hinweis: Das Interview ist Teil des neuen EUWID-Reports „Post-EEG im Jahr 2020: Die Uhr tickt“. Worum es im Report geht, lesen Sie hier.

Frau Peter, vor einem Jahr haben Sie im Grußwort für den EUWID-Post-EEG-Report angemerkt, dass für einen erfolgreichen Weiterbetrieb von Bestandsanlagen andere Rahmenbedingungen und besonders ein CO2-Preis erforderlich wären. Eine Bepreisung von Kohlendioxid soll es ja jetzt ab 2021 geben. Wie bewerten Sie die Beschlüsse der Bundesregierung in dieser Sache? Überwiegt die Freude über den Einstieg in ein Bepreisungsmodell oder der Ärger über die zunächst eher symbolische Höhe des Preises?

Sicher, mit dem CO2-Preis ist sozusagen die Schablone geschaffen worden, mit der man arbeiten kann. Sie gilt aber zum einen nur für die Bereiche Wärme und Verkehr, für den Stromsektor gibt es keine Verbesserungen bei der CO2-Bepreisung. Und zum anderen ist ein Einstiegspreis von 10 Euro je Tonne CO2 wirkungslos. Dutzende Staaten und Regionen haben erfolgreich wirkende CO2-Preis-Modelle umgesetzt. Die Einführung einer ambitionierten CO2-Bepreisung ist also kein Novum oder gar Wagnis auf fremdes Terrain.

Deutschland hätte, basierend auf den Erfahrungen anderer Staaten, sehr viel höher einsteigen können. Der BEE sieht im Stromsektor einen Mindestpreis in Höhe von 60 Euro je Tonne CO2 als notwendig an, eingebunden in den europäischen Emissionshandel. Solange er diesen Preis nicht erreicht, muss eine nationale CO2-Steuer flankieren und im Gegenzug die Stromsteuer auf das europäisch mögliche Minimum gesenkt werden.

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht eine Verdoppelung der installierten PV-Leistung bis 2030 vor. Wind an Land und auf See würden dagegen eher in bescheidener Weise ausgebaut. Reicht das denn, um 65 Prozent Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch zu erreichen? Und haben Sie den Eindruck, dass sich die Bundesregierung die Rückwirkung der Post-EEG-Phase auf die (Netto-) Ausbauperspektive hinreichend bewusst macht?

Es ist gut, dass der PV-Deckel fällt und bei Offshore eine Perspektive sichtbar wird. Aber das reicht nicht. Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung de facto vom 65-%-Ziel verabschiedet. Der zu geringe Ausbau ist ein Grund, ein unrealistisch niedrig angenommener Stromverbrauch ein weiterer. Niemand außer der Bundesregierung bestreitet: Der Stromverbrauch wird steigen. Sektorenkopplung, Wasserstoff-Anwendungen und die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs, die Umstellung der Industrie auf CO2-freie Prozesse – für all dies wird mehr sauberer Strom benötigt.

Für die deutsche Windindustrie ist der geringe Ausbau in allen Wertschöpfungsstufen ein Desaster. Wir brauchen Wind, Sonne und Bioenergie, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Rechentricks der Bundesregierung laufen auf eine Verfehlung der Ziele hinaus.

Der Instrumentenkasten für Post-EEG-Strategien hat sich in den vergangenen Monaten immer mehr gefüllt, die Branche entwickelt hier teils innovative Lösungen wie Regionalstrommodelle oder auch Power Purchase Agreements (PPA). Reichen die Marktlösungen aus Ihrer Sicht aus, um den Anlagenbestand zu schützen? Und bei welchen Technologien sehen Sie den dringendsten Bedarf für komplementäre Ansätze wie eine Anschlussförderung im EEG?

Diese marktlichen Ansätze sind an sich gut und hilfreich. Sie können aber ihre Wirkung nicht ausreichend entfalten, da die Preise für Strom verzerrt sind und nach den derzeitigen Regierungsvorstellungen wohl auch weiterhin verzerrt bleiben. Eine wirksame CO2-Bepreisung auch im Stromsektor würde das ändern. Solange sie aber nicht kommt, konkurriert der Strom aus zum Beispiel Windenergie-Bestandsanlagen mit Strom aus längst abgeschriebenen, uralten Kohlemeilern. Dabei sind es genau diese erneuerbaren Bestandsanlagen, die den Einstieg in die Energiewende geebnet und dazu beigetragen haben, dass erneuerbare Energien heute so günstig zur Verfügung stehen. Jetzt muss ihnen ein faires Marktumfeld geschaffen werden, denn sie emittieren kein CO2 und haben keine Brennstoffkosten. Hinzu kommt, dass ein vernünftiger Rahmen z.B. für die Direktbelieferung und die Eigenversorgung von großen Gewerbe- und Industriekunden mit Erneuerbarem Strom fehlt.

Eine sinnvolle Anschlussförderung ist für Biogasanlagen eminent wichtig, da diese massiv unter der Marktverzerrung leiden, aber noch erhebliches Potenzial haben, um durch Flexibilität das künftige System zu stabilisieren. Bioenergie wird als Multitalent der Energiewende gebraucht. Ihr kommt die Rolle als plan- und steuerbarer Erzeuger im Erneuerbaren-Mix zu und sie leistet unverzichtbare Beiträge zum treibhausgasneutralen Umbau des Wärme- und Mobilitätssektors.

Vielen Dank für das Interview! (Foto: BEE / Laurence Chaperon)

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